|
Wie Sie wohl auch schon gemerkt haben, sind die schönen Zeiten,
als der Arzt Ihnen einfach verschrieb, was er für gut hielt,
vorbei - denn die Politik hat beschlossen, dass gespart werden muss,
und hat dafür ein ausgefeiltes Regelwerk ausgearbeitet, das bisher
nur in Bruchstücken gewirkt hat, aber seit 1.Juli 2006 ist die Sache
nun wirklich ernst, es gibt kein Augenzwinkern mehr, denn wir (PatientIn und Arzt) sind
durch die E-card und die damit verbundene elektronische
Chefarztbewilligung für die Krankenkasse komplett transparent geworden.
Ich will daher auch Ihnen gegenüber transparent sein und Ihnen die
neuen Spielregeln erklären, damit Sie nicht auf mich, sondern auf
die Politik böse sind, wenn Sie mit einem meiner Rezepte für
Sie nicht glücklich sind.
Es gibt 2 große Themen: die Generika und das Boxensystem. Beide dienen zum Geldsparen, aber sonst haben sie miteinander nichts zu tun.
Nach Ablauf der Patentfrist darf jeder
die von den forschenden Firmen erfundenen, erforschten und auf den
Markt eingeführten Medikamente ebenfalls erzeugen und verkaufen,
wenn er nachweisen kann, dass pro Tablette die gleiche Chemikalie wie
im
Original vorhanden ist und auch an den Körper abgegeben wird. Da
er sich Forschung und Werbung, Fortbildung der Ärzte etc. spart,
kann er billiger als der Erstanbieter sein, verdient aber immer
noch eine Menge, auch wenn er etwa nur den halben Preis verlangen
würde - meist sind die Generika aber nur 10 bis 20% billiger. Die
Krankenkasse verlangt nun von uns Ärzten, dass wir ca. 50% unserer
Rezepte als Generikarezepte ausstellen (als Basis gilt die Gesamtmenge
aller Medikamente, für die es Generika gibt); tun wir das nicht,
gibt es zuerst eine Verwarnung, dann eine Vorladung zur Krankenkasse,
wo man sich rechtfertigen muss - da es sich um einen unbezahlten und
frustrierenden Halbtagsausflug handelt, ist dies ein Albtraum für
jeden der Rezepte ausstellt. Dass ausgerechnet die Familie eines Ministers jener
Regierung, unter der dies durchgesetzt wurde (Martin Bartenstein), an mehren großen Generikafirmen maßgeblich beteiligt ist und von dieser Situation
profitiert, steigert die Laune dabei auch nicht.
Zusätzlich sind alle Medikamente in
"Boxen" eingeteilt, wodurch das bisherige Chefarztsystem abgelöst
wurde: es gibt eine grüne, eine hellgelbe, eine dunkelgelbe, eine rote, und (besonders originell) eine "verbotene", so genannte "no" Box. Kein Witz!
Grüne Box:
hier darf ich alles verschreiben (wenn ich die 50% Generika
berücksichtige, das gilt für alle Boxen), außer es ist
in der Liste mit "IND" markiert, dann darf ich es nur bei bestimmten
genau definierten Krankheiten verschreiben; wenn Sie eine andere
Krankheit haben, muss das Medikament vom Chefarzt elektronisch
bewilligt werden (darüber weiter unten mehr).
Hellgelbe Box: genau
wie die "IND" - Medikamente in der grünen Box (also nur bei genau
definierten Diagnosen erlaubt, ansonsten nur via Chefarztbewilligung);
ich muss genau dokumentieren, woher ich meine Diagnosen habe, und die
Kasse darf das abfragen und anzweifeln. Glaubt sie mir nicht, werde ich
verwarnt und (wenn sich dies wiederholt) zur Kasse gebeten - ich
muss Ihr Medikament selbst bezahlen.
Dunkelgelbe Box:
diese Medikamente müssen generell vor der Rezeptausstellung vom Chefarzt bewilligt werden,
es gibt genaue Beschränkungen bei welchen Diagnosen dies erfolgt;
nach freier Entscheidung des Chefarztes kann er es aber auch bei
anderen Diagnosen bewilligen.
Rote Box: wie
dunkelgelb, nur werden diese Medikamente überhaupt nur nach
Einschätzung des Chefarztes und bei seltenen Krankheiten etc.
bewilligt.
No-Box: Medikamente die im Prinzip überhaupt nie bewilligt werden, ein Versuch anzufragen ist aber erlaubt.
Ich muss seit 2006 via Email
(funktioniert über die Hardware der E-card in jeder Ordination)
genau angeben, warum PatientIn XY das Medikament XYZ in dieser Dosis
wegen jener Erkrankung bewilligt haben will; innerhalb einer halben
Stunde ist die Antwort zu erwarten (diese kann aber auch die
Aufforderung zu weiterer Begründung sein, etwa ob Frau XY nicht
auch mit dem billigeren Medikament UVW auskommen würde). Ist das
Medikament bewilligt, darf ich das Rezept ausdrucken, Ihnen in die Hand
drücken, und beim nächsten Besuch spielen wir das gleiche
Spiel wieder, spannend ist dabei nur ob der Chefarzt am anderen Ende
der Leitung die gleiche Meinung hat wie sein Kollege einen Monat
zuvor.
Wenn Sie dies wünschen, kann ich Ihnen auch ein Privatrezept
ausstellen und Sie gehen selbst zum Chefarzt um mit ihm zu diskutieren,
dies ist vielleicht in Abhängigkeit von Ihrer
Überzeugungskraft oft keine schlechte Idee.
Ich kann Ihnen aber kein Kassenrezept mehr ausstellen, damit Sie damit
zum Chefarzt gehen, wie in der guten alten Zeit.
Früher kontrollierte der Apotheker, ob
Ihnen das von mir verschriebene Medikament kassenmäßig
zustand; und schickte Sie heim wenn etwa ein chefarztpflichtiges
Medikament keinen Bewilligungsvermerk hatte. Das ist jetzt anders: er
gibt Ihnen einfach alles, was auf dem Rezept steht, und die
Krankenkasse kassiert den Betrag dann bei mir, Dr.Wolfgang Scheibelhofer, wenn die Kasse findet,
ich hätte das betreffende Medikament laut Boxensystem bei Ihrer
Diagnose nicht verordnen dürfen - mit anderen Worten, ich selbst
muss dann Ihr Medikament aus meiner eigenen Tasche zahlen. Egoistisch
wie wir Ärzte nun einmal sind, erfreut uns diese Aussicht wenig.
Vor allem wenn Sie bedenken, dass uns die Kasse auch noch monatlich
Abrechnungen schickt, auf denen jedem Arzt vorgerechnet wird, wie teuer
er der Kasse bei seinen Verschreibungen kommt, inklusive Vergleichen
mit den Kosten eines fiktiven Durchschnittsarztes, werden Sie
verstehen, dass jeder Arzt heute bei jeder Verschreibung ein mulmiges
Gefühl hat. Dieses verstärkt sich, wenn er ein teureres
Medikament aus einer gelben Box oder ein Originalpräparat
verschreiben soll; auch der Zeitaufwand für die elektronische
Chefarztbewilligung ist nicht unbeachtlich. Gleichzeitig will ich aber
das für Sie Optimale verschreiben, und es ist mir ja auch bewusst,
dass Sie sich die "teure" Diagnose nicht absichtlich ausgesucht haben -
es entsteht also ein beachtliches Spannungsfeld.
dass ich soweit ich kann auf Ihrer Seite stehe; aber bitte verstehen
Sie auch, dass ich mich damit fallweise in heikle Situationen bringe
und manchmal recht deutlich sagen muss, wo realistischerweise beim
Rezeptieren die Grenzen des für mich Riskierbaren liegen, auf
deutsch: es wird nicht mehr alles möglich sein, was entweder Sie,
oder ich, oder wir beide gerne hätten.