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Die folgenden Erörterungen stellen meine private Meinung zum angesprochenen Problem dar; sie versuchen zwar, unvoreingenommen die vorhandenen wissenschaftlichen Daten darzustellen, es ist aber durchaus möglich, dass ich daraus unrichtige beziehungsweise auf den konkreten Einzelfall nicht anwendbare Schlüsse ziehe; es gibt auch durchaus angesehene Kollegen, die aus den vorliegenden Ergebnisse völlig andere Schlüsse als ich ziehen. Diese Seite soll daher nur der allgemeinen Information dienen und keinesfalls das Gespräch mit dem behandelnden Arzt ersetzen, da der Laie oft die in meinem Artikel angesprochene Problematik in Bezug auf seinen eigenen, individuellen Fall nicht richtig einschätzen kann und somit ohne ärztliche Begleitung falsche Schlüsse ziehen könnte, die eventuell zu gravierenden gesundheitlichen Folgen führen.

Das Gesundheitsministerium (Ministerium für Gesundheit) veröffentlicht viele Leitlinien und Richtlinien, etwa die "Leitlinie Eierpack- und Eiersammelstellen", die "Richtlinie: Milchausgabeautomaten", die "Leitlinie Schlachtung und Verarbeitung von Fischen aus Wildfang oder eigener  Aquakultur", die "Leitlinie für Imkereien", etc.; nun wurde auch eine Leitlinie mit dem Titel  

"Bundesqualitätsleitlinie zur integrierten Versorgung von erwachsenen Patientinnen und Patienten für die präoperative Diagnostik bei elektiven Eingriffen - BQLL PRÄOP"


publiziert. Sie ist recht kompliziert und kann hier auf der Homepage des Ministeriums nachgelesen werden:

http://www.bmg.gv.at/cms/home/attachments/0/6/9/CH1063/CMS1323255114276/5_praeop_endgueltige_fassung_komplett_neu__0-fehler.pdf  (ja, der Link  auf der Homepage des Ministeriums lautet wirklich so - "Null Fehler"!)

Ich habe einen kürzeren Link für Sie erstellt:  http://j.mp/ehklar


Die Grundidee lautet: die bisherige Praxis der Operationsfreigabe ist zu teuer. Bei vielen Patienten wäre eine viel einfachere und billigere Voruntersuchung ohne EKG, Labor und Herz-Lungenröntgen ausreichend.

Das Problem ist nur : bei welchen?

Die Antwort der Autoren ist im Prinzip: es genügt, die Patienten ausführlich

und erst danach entscheidet man ganz gezielt, welche Zusatzuntersuchungen notwendig sind. Dabei wird man von einer Software im ELGA-Netz "unterstützt", die PROP heisst und deren Gebrauchsanleitung 49 Seiten lang ist (http://www.chipkarte.at/mediaDB/906656_VP%20Benutzerhandbuch%20PROP%20R12b.pdf - Achtung, hat 1,7 MB!).

Das klingt zuerst logisch, ist dann aber (wie die Länge der Leitlinie und die Komplexität ihrer Vorschriften zeigt) schwierig im Routinebetrieb durchzuführen, denn dazu braucht man viel mehr Zeit als bisher, die aber nicht bezahlt wird. Übrigens heißt das, was bisher als internistische Operationsfreigabe bezeichnet wurde, nun "Abklärungsgespräch".


An diesen zwei Ankern, der Anamnese und dem Status, hängt aber jetzt die Treffsicherheit der präoperativen Beurteilung des Patienten, da nun das Sicherheitsnetz der "unnötigen" Befunde (Labor, EKG) wegfällt. Diese Befunde haben aber bisher doch die meisten bedeutsamen Erkrankungen herausgefiltert - dieser Filter soll nun wegfallen. Sicher kann am in der besten aller möglichen Welten postulieren, dass jeder Arzt zu jeder Stunde erfahren und aufmerksam genug ist, bei der Befragung und Untersuchung des Patienten die wenigen Risikofälle herauszufiltern - realistisch ist dies nicht. Auch ich selbst habe vermutlich schon das leise Rauschen einer Aorteninsuffizienz überhört (vielleicht auch das gerade bei schwersten Aortenstenosen gar nicht so laute Systolikum der Aortenstenose - wenn ich das auch nicht hoffe!), ganz sicher habe ich aber nicht jedem Patienten an der Nasenspitze angesehen, dass er eine schwere Niereninsuffizienz hatte. Bisher war das nicht so schlimm, weil der Arzt dann durch das verpönte Routine-EKG oder die (siehe unten, Tabelle 2) nicht mehr bei allen Patienten "erlaubte" Bestimmung der Nierenwerte mit der Nase auf das Problem hingestossen wurde - jetzt rutscht der Patient in diesem Fall eben durch.


Für die meisten Patienten wird sich daraus kein Unterschied zu bisher ergeben, weil eben die meisten Leute ziemlich gesund sind und auch Kranke eine Operation und Narkose meist gut überstehen - schlecht ist das nur für die wenigen Patienten, deren Probleme jetzt unerkannt bleiben und doch zu Komplikationen führen. Und für den Arzt, der die Patienten "freigegeben" hat, wird es dann auch ungemütlich - denn im Nachhinein werden Sachverständige mit sehr viel Zeit am Schreibtisch glasklar die Nachlässigkeit des Arztes feststellen.

Die Leitlinie teilt die Operationen in verschiedene Schweregrade ein und macht davon die Ausführlichkeit der  zu erhebenden Befunde abhängig - wieder sehr logisch und kostensparend, nur leider - in der wirklichen Welt wird oft aus einem Eingriff in Lokalanästhesie plötzlich einer in Vollnarkose, oder aus einer scheinbar kleinen Operation wird eine unvermutet komplizierte, viel gefährlichere - da wäre man dann vermutlich doch froh, wenn man "redundante", jetzt aber doch bedeutsame Befunde zur Hand hätte.

Zur Treffsicherheit der Anamnese noch eine weitere Befürchtung: ELGA steht vor der Türe, und damit könnte der Fall eintreten, dass Patienten gewisse Krankheiten einfach nicht mehr "zugeben" - denn wenn der Patient befürchtet, dass jede Erkrankung, die einmal im elektronischen Krankenakt vermerkt ist, potentiell auch Arbeitgebern, Ämtern und Privatversicherungen offensteht, wird es sich mancher Patient (medizinisch gesehen sehr unvernünftigerweise, und gesundheitlich gesehen sehr gefährlich!) zweimal überlegen, ob er im Anamnesebogen Hochdruck, Diabetes, chronisches Nierenleiden etc. ankreuzen soll und damit in einigen Jahren Probleme beim Arbeitsplatz, Führerschein, Vericherung etc. bekommen könnte. Damit wird dann aber der Punkt "Anamnese" noch unzuverlässlicher.

Hier zwei Abbildungen aus der BQLL PRÄOP, die verdeutlichen sollen, wie kompliziert alles wird:


Risikoevaluation Labortests


Allerdings ist dies eben eine "Leitlinie" und keine "Richtlinie",  und im Unterschied zur Richtlinie ist eine Leitlinie nicht verpflichtend. Ich vermute aber, dass im Zuge der allgemeinen Spargesinnung diese Vorschläge bei einigen Entscheidungsträgern auf fruchtbaren Boden fallen werden, und dass einige Spitäler in Zukunft keine konkreten Vorgaben zu den verlangten präoperativen Untersuchungen abgeben werden, sondern Sie, den Patienten, zum Hausarzt schicken werden mit der Aufforderung: "Bitte um präoperative Beurteilung laut BQLL PRÄOP". Weiters wissen wir aus Erfahrung, dass anfangs "freiwillig" eingeführte Vorgaben binnen weniger Jahre plötzlich verpflichtend werden (auch in der Leitlinie steht schon, dass die Krankenkassen ihre Befolgung aufgrund ihrer Daten beobachten sollen) - es wird nicht lange dauern, und der zuweisende Arzt wird sich Regressforderungen ausgesetzt sehen, wenn er bei einem Patienten entgegen den Leitlinien etwa einen Nierenwert bestimmen ließ, der nicht vorgesehen war.

Vielleicht gibt es dann eine "schlanke" Operationsfreigabe "auf Kasse" und eine traditionelle gegen Aufzahlung durch den Patienten? Denn auch die Autoren der Leitlinie gestehen ein Restrisiko bei der "Operationsfreigabe neu" ein, sie schreiben: "Nachteile der Quellleitlinierealisierung sind etwa das Nichterkennen von (bislang asymptomatischen) Pathologien, welche das Eingriffs-relevante Risiko steigern könnten."

Auch in Deutschland hat man ähnliche Leitlinien aufgestellt, diese sind im Ton wesentlich konzilianter, haben aber den gleichen Grundtenor. Dabei ergeben sich für mich als einfachen Internisten einige Widersprüche - warum etwa wird das Wissen um eine eventuell vorhandene, bisher unerkannte Diabeteserkrankung als unerheblich für das perioperative Management dargestellt und routinemäßigen BZ-Bestimmungen (bis auf Einzelfälle) abgelehnt - bei einmal bekanntem Diabetes wird aber eine engmaschige Blutzucker-Kontrolle rund um die Operation verordnet! Und sogar die Wichtigkeit des Alters und des Schweregrades der Operation wird als irrelevant für die Notwendigkeit von Laborwerten dargestellt, denn dafür würden wissenschaftliche Beweise fehlen (ein typischer Fall von Fixierung auf Studienergebnisse ohne Rücksicht auf die tägliche Erfahrung).



PS - Hinweis zu Interessenskonflikt:
Da die einzige Leistung, die bei der internistischen Operationsfreigabe recht gut honoriert wird, das EKG ist, während die im obigen Text erwähnten Leistungen wie Anamnese und Status im Pauschalbetrag von ca 19 Euro pro Patient und Quartal enthalten sind, bin ich natürlich auch persönlich von dieser neuen Leitlinie betroffen und vielleicht nicht 100% objektiv - meine Argumente mögen aber für sich sprechen.



 

 

kathi

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Anhang: wenn Sie nicht als Patient, sondern als Arzt mit Interesse am Thema "Operationsfreigabe" zu dieser Seite gelangt sein sollten, interessieren Sie vielleicht auch die Richtlinien des American College of Cardiology und von ESC und ESA zu diesem Thema:

2014 ACC/AHA Guideline on Perioperative Cardiovascular Evaluation and Management of Patients  http://content.onlinejacc.org/mobile/article.aspx?articleid=1893784

und die Richtlinien des ACP zur Reduktion von perioperativen pulmonalen Problemen

sowie ein guter Übersichtsartikel zu aktuellen Fragen der "OP-Freigabe" , ebenfalls vom ACP

und die neuesten europäischen Richtlinien zur perioperativen Betreuung kardialer Patienten bei nichtkardialen Operationen

*Ein Artikel im BMJ (der sich allerdings auf teilweise sehr alte Studien stützt) zur Frage, ob eine Regionalanästhesie weniger Risiko als eine Vollnarkose birgt (siehe aber die teils negativen Diskussionsbemerkungen im Anschluss an den Artikel): http://bmj.com/cgi/content/full/321/7275/1493 

 Hier eine Antwort, ob man Antikoagulantien, die nur wegen VH-Flimmerns (also nicht wegen künstlicher Herzklappen etc.) eingenommen werden, ersatzlos für 1 Woche rund um eine OP pausieren kann (ja, man kann, sagen die gemeinsamen amerikanisch/europäischen Guidelines )

scheibelhofer@internist.at

Erklärung: über diese Homepage (Anbieterkennzeichnung, einige warnende Worte, etc.)