Vorhofflimmern - was sagen die
ESC-Richtlinien?
Dr.Wolfgang
Scheibelhofer
Haben
Sie Vorhofflimmern oder behandeln Sie Patienten mit Vorhofflimmern?
Dann sind Sie mehr als auf vielen anderen Gebieten der Medizin mit
Leitlinien konfrontiert - also Vorschriften, oder sollte man sagen :
Empfehlungen, wie Sie sich zu verhalten haben - und diese Leitlinien
wechseln dauernd. Es ist nicht leicht den Überblick zu
behalten, und
deshalb will ich hier in knapper Form die derzeit aktuellen Leitlinien der ESC (European Society of
Cardiology) vom Sommer 2010 (mit "fokussiertem" Update 2012) zusammenfassen, damit Sie bei Bedarf
schnell nachsehen können.
Die folgenden
Erörterungen stellen meine
private Meinung zum
angesprochenen Problem dar; sie versuchen zwar, unvoreingenommen die
vorhandenen wissenschaftlichen Daten darzustellen, es ist aber durchaus
möglich, dass ich daraus unrichtige beziehungsweise auf den
konkreten
Einzelfall nicht anwendbare Schlüsse ziehe; es gibt auch
durchaus
angesehene Kollegen, die aus den vorliegenden Ergebnisse
völlig andere
Schlüsse als ich ziehen. Diese Seite soll daher nur der
allgemeinen
Information dienen und keinesfalls das Gespräch mit dem
behandelnden
Arzt ersetzen, da der Laie oft die in meinem Artikel angesprochene
Problematik in Bezug auf seinen eigenen, individuellen Fall nicht
richtig einschätzen kann und somit ohne ärztliche
Begleitung falsche
Schlüsse ziehen könnte, die eventuell zu gravierenden
gesundheitlichen Folgen
führen. |
Vorhofflimmern
ist eine Erkrankung des Herzens, die vorwiegend (aber nicht
nur) bei
älteren Menschen auftritt; etwa 10% aller 80-jährigen
leiden darunter;
sie macht sich durch unregelmäßigen Herzschlag
bemerkbar, was daran
liegt, dass der Vorhof des Herzens nicht wie sonst üblich
regelmäßig
etwa 70mal pro Minute schlägt, sondern er bewegt sich nur ganz
wenig,
weil in ihm mehrere elektrische Impulsgeber gleichzeitig und in
chaotischer Weise Befehle an die Muskulatur des Vorhofs geben, worauf
diese zu keiner koordinierten Pumpleistung mehr fähig sind.
Dies
vermindert zwar die Gesamtleistung des Herzens nicht allzu stark, da
der Vorhof wie der Name schon sagt nur ein den eigentlichen Herzkammern
vorgelagertes Reservoir ist; viele Menschen empfinden den durch das
Vorhofflimmern resultierenden unregelmäßigen
Herzschlag (denn nun
werden die Herzkammern nicht vom rhythmisch schlagenden normalen
Taktgeber, dem im Vorhof liegenden Sinusknoten, gesteuert, sondern
werden durch das Vorhofflimmern ebenfalls
unregelmäßig erregt;
glücklicherweise allerdings nicht so schnell und chaotisch wie
die
Vorhöfe selbst, denn die Herzkammern werden durch einen
zwischengeschalteten elektrischen Filter, den AV-Knoten, davor
geschützt) als unangenehm.
Gefährlich am
Vorhofflimmern sind aber zwei Ereignisse, die fallweise auftreten:
- erstens
kann ein vorgeschädigtes Herz durch die allzuschnelle
Herzfrequenz
(trotz des erwähnten "Filters" AV-Knoten können
Pulsfrequenzen deutlich
über 110/Minute auftreten) so beeinträchtigt werden,
dass die
Pumpfunktion zurückgeht und das Herz nicht mehr ausreichend
Blut pumpen
kann, also ein Herzversagen
mit Luftnot, Wasseransammlung im Körper, Blutdruckabfall etc.
auftritt; und
- zweitens
kann sich im Vorhof, der ja jetzt nicht mehr
regelmäßig pumpt, Blut stagnieren und deshalb Gerinnsel
bilden, die wachsen können, sich dann plötzlich
losreißen, und im
schlimmsten Fall wichtige Arterien des Körpers verstopfen
können - die
gefürchtetste Komplikation dieser Embolien ist der
Schlaganfall, dass
also ein Hirngefäß verlegt wird. Man nimmt an, dass
jeder
5.Schlaganfall diese Ursache hat; und umgekehrt beträgt das
jährliche
Risiko für Vorhofflimmerpatienten, einen Schlaganfall zu
erleiden, bei
unbehandelten Patienten zwischen 2% (wenn der Patient sonst keine
Risikofaktoren hat) und 18% (bei Patienten mit "allen" denkbaren
Risikofaktoren).Da
dies eine sehr große Bandbreite darstellt, hat man sogenannte
Scores
aufgestellt, das sind aus Statistiken herausgerechnete Rechenwerkzeuge,
um das individuelle Risiko eines Patienten ermitteln zu können
- dieses
individuelle Risiko ist dann nämlich die Basis für
wichtige
Therapieentscheidungen.
In den letzten Jahren haben wir
den CHADS2 - Score
verwendet, und zwar rechneten wir einfach für jeden
von
5 Risikofaktoren :
- Herzschwäche,
- Hochdruck,
- Alter
über 75,
- Diabetes und
- Schlaganfall
in der Vergangenheit
1 Punkt, und
für Schlaganfall noch eine 2.Punkt hinzu
- so kam der Score zu seinem Namen - der 2er steht für den
2.Punkt für den Schlaganfall, und CHADS ergibt sich
aus den englischen Namen der Risikofaktoren:
- Cardiac failure,
- Hypertension,
- Age,
- Diabetes,
- Stroke
Im günstigsten
Fall hat der Patient 0 oder 1 Punkt als Summe, im
ungünstigsten Fall ergibt die Addition die Zahl 6;
somit hat unter unbehandelten Patienten derjenige mit dem Score "0" das
jährliche Schlaganfallrisiko von 2%, der mit dem Score "6" das
Risiko
von 18%.
Wie schon erwähnt,
können wir dieses Risiko aber durch eine bewährte
Therapie senken - indem wir gerinnungshemmende
Mittel geben,
die die Gerinnselbildung im Vorhof verhindern sollen. Dies
funktioniert sehr gut - das Schlaganfallrisiko sinkt im Schnitt um 2/3
(66%), und es sterben um 1/4 weniger Patienten. Freilich ist
dafür
etwas in Kauf zu nehmen: diese Patienten bluten jetzt leichter, etwa
bei Verletzungen oder bei Magen/Darmproblemen, und sie müssen
regelmäßig zu Gerinnungskontrollen gehen, um
sicherzustellen, dass sie
weder zu viel noch zu wenig gerinnungshemmende Wirkung zeigen. Dies
wird durch die INR
gemessen -
liegt sie beim behandelten Vorhofflimmerpatienten zwischen 2 und 3,
sind wir zufrieden - ist sie unter 2, läßt die
Schutzwirkung nach und
schwindet unter 1,5 völlig; ist sie über 3, steigt
das Blutungsrisiko.
Der
Arzt muss daher das Schlaganfallrisiko gegen das Blutungsrisiko
abwägen, um dem Patienten die optimale Therapie vorschlagen
zu können;
danach muss er dem Patienten seine Überlegung
erklären, und letztlich
entscheidet sich der Patient für oder gegen die
gerinnungshemmende
Therapie - diese besteht derzeit hauptsächlich aus "oralen
Antikoagulantien", in Europa sind das Marcoumar und Sintrom, in den USA
ist es Warfarin. Eine Alternative ist am Horizont, moderne
Gerinnungshemmer die keine regelmäßige
Gerinnungskontrolle mehr
benötigen und auch eine etwas verbesserte Relation von
Verhinderung des
Schlaganfalls und Blutungsgefahr (besonders bzgl. Blutungen im
Schädel)
zeigen, das erste dieser Medikamente (Pradaxa) wurde schon von der
europäischen Arzneimittelbehörde EMEA positiv beurteilt - es wurde
schon in den ESC-Leitlinien 2010 als Alternative empfohlen.
Eine weitere
Medikamentengruppe sind die Thrombozytenagregationshemmer (deren
gerinnungshemmende Wirkung auf der Hemmung der für die
Gerinnung
wichtigen Blutplättchen beruht), der wichtigste Vertreter ist
Aspirin -
leider ist Aspirin viel weniger stark in der Verhinderung von
Schlaganfällen, kann aber genauso zu Blutungen
führen; allerdings
benötigt es keine Laborkontrollen.
Nach den bisherigen Leitlinien
bekamen
- alle Patienten mit CHADS2-Score von 2
und darüber Marcoumar
oder Sintrom (da bei ihne eindeutig das statistische Risiko eines
Schlaganfalls höher war als das einer Schädigung
durch das Marcoumar
oder Sintrom);
- die Patienten mit einem CHADS-Score von 0 bekamen Aspirin
oder nichts
(da sich ihr ohnehin kleines Risiko nicht weiter senken ließ,
ohne sie
einem unnötigen Risiko durch die Gerinnungshemmung
auszusetzen),
- und die mit dem Score von 1 konnten sich
aussuchen, ob sie Marcoumar bzw. Sintrom oder Aspirin
erhielten (Marcoumar wurde etwas stärker empfohlen).
Seit den neuen ESC-Guidelines
(aus 2010) ist das jetzt etwas anders:
Es wird weiterhin empfohlen, des
CHADS2-Score auszurechnen; und weiterhin bekommen alle Patienten mit einem Score
von 2 oder darüber Marcoumar bzw. Sintrom oder
Warfarin wenn sie damit einverstanden sind.
Jene Patienten, die
einen CHADS2-Score von 0
oder 1 haben, werden aber nochmals beurteilt, und zwar
nach dem neuen Score mit dem Namen
CHA2DS2-VASc ,
bestehend aus:
- Cardiac failure oder
auch Congestive heart failure = Herzschwäche,
- Hypertension =
Hypertonie,
- Age = Alter ab 75,
wird mit 2 Punkten gerechnet,
- Diabetes,
- Stroke =
Schlaganfall, wird wie bisher mit 2 Punkten gerechnet,
- Vascular
disease = Gefäßerkrankung, dazu zählt
periphere Verschlusskrankheit,
früherer Herzinfarkt, und schwere Verkalkungen der
Aorta,
- Age = Alter 65 bis
74, und
- Sex category =
Geschlecht, und zwar bekommen die Frauen hier 1 Punkt) -
hier ist die maximal
erzielbare Summe aller Punkte 9.
Für die
Entscheidung ob orale Antikoagulantien gegeben werden, ist aber der Bereich der niedrigen Ziffern
entscheidend,
denn dieser Score kommt ja bei den Patienten mit einem CHADS2 - Score
von 0 oder 1 zur Anwendung; diese haben nun die "Chance", doch AK zu erhalten.
Und die neuen ESC-Richtlinien
besagen:
Patienten mit CHA2DS2-VASc - Score 1 erhalten
vorzugsweise
orale Antikoagulantien(Marcoumar,
Sintrom, Warfarin..), eventuell auch Aspirin, aber dieses
nur als 2. Wahl wenn Kontraindikationen für AK bestehen oder AK
vom Patienten abgelehnt werden. Das Update 2012 stellt allerdings klar,
dass Frauen unter 65, die sonst keine Risikofaktoren haben, keine Antikoagulantien nehmen müssen, obwohl sie am Papier einen CHA2DS2-VASc
- Score von 1 haben; allen anderen Patienten (beispielsweise einem sonst gesunden Mann
zwischen 65 und 74) wird aber zu oralen Antikoagulantien
geraten.
Das Update 2012 bringt eine leichte Bevorzugung der NOACs im Vergleich
zu den VKA - mit der Empfehlungsstufe 2a wird empfohlen, sich diese
neuen Medikamente wegen verschiedener Vorteile (insbes. weniger
zerebrale Blutungen im Vergleich zu VKA) zumindest zu überlegen
(es wird aber auch auf Indikationen mit bevorzugter Verwendung von
Marcoumar und Co. hingewiesen, etwa verminderte Nierenfunktion, also
Kreatininclearance unter 30).
Für Patienten
die auch im CHA2DS2-VASc
- Score auf eine Punkteanzahl von 0 kommen, wird geraten, keine
Gerinnungstherapie zu beginnen.
Ist diese Regel in Stein gemeißelt?
Wohl nicht,
denn es gibt auch weiterhin Anhänger des "alten" CHADS2 -
Scores, die meinen, dass bei einem Score von 0 (null) in diesem Score (also
ein Patient egal welchen Geschlechts unter 75 ohne Diabetes, Hochdruck,
Herzinsuffizienz oder stattgehabten Schlaganfall) keine orale
Antikoagulantien, sondern nichts oder Aspirin (je nach Neigung des Patienten) gegeben werden sollte - nachzulesen in den 2012 aktualisierten Leitlinien des American College of Chest Physicians. Die weiteren CHA2DS2-VASc-
Risikofaktoren (Alter über 65, Geschlecht, PAVK) können dort
allerdings berücksichtigt werden, falls mehrere dieser
"non-CHADS2-Faktoren" bei einem Patienten zusammentreffen (eine Frau
über 65 mit niedrigem Risiko für Blutungen käme daher
eventuell doch wieder für OAK in Frage, wohl abhängig von
ihren eigenen Präferenzen).
Was bringen die neuen Guidelines
sonst noch?
Neue Bezeichnungen -
das Vorhofflimmern wird ab jetzt eingeteilt in:
- first diagnosed AF
(jeder Patient, bei dem zum ersten Mal Vorhofflimmern = AF festgestellt
wird, egal wie lange es schon gedauert hat)
- paroxysmal AF (wenn
das Vorhofflimmern innerhalb von maximal 7 Tagen, meist aber innerhalb
von 2 Tagen, von selbst aufhört)
- persistent AF (wenn
das Vorhofflimmern länger als 7 Tage anhält, oder
schon vorher künstlich beendet werden musste)
- long-standing persistent AF
(wenn das Vorhofflimmern länger als 1 Jahr besteht, aber der
Arzt noch plant es in einen Sinusrhythmus zu bringen)
- permanent AF
(ein langanhaltendes Vorhofflimmern mit dem sich Patient und Arzt
abgefunden haben; sollte die Strategie geändert werden und
doch der
Versuch einer Rhythmisierung geplant werden, verwandelt sich das
permanent AF automatisch ins long-standing persistent AF
zurück)
Neuer Score um die Symptome des
VH-Flimmerns zu klassifizieren:
Der EHRA-Score (nach der
European Heart Rhythm Association)
- EHRA I - keine
Symptome
- EHRA II - milde
Symptome (normale Alltagstätigkeiten nicht
beeinträchtigt)
- EHRA III - schwere
Symptome (normale Alltagstätigkeiten beeinträchtigt)
- EHRA IV -
invalidisierende ("disabling") Symptome (normale
Alltagstätigkeiten werden eingestellt)
Bedeutung dieses Score:
ab einem EHRA II wird statt alleiniger frequenzregulierender Therapie
(der an sich im Prinzip der Vorrang eingeräumt wird,
außer in
Spezialfällen wie jungen und sportlichen Patienten sowie in
ausgewählten Fällen bei paroxysmalem Vorhofflimmern)
eine
Rhythmustherapie empfohlen, wenn sichergestellt ist, dass die Symptome
nicht durch eine unzureichende Frequenzkontrolle bedingt sind. Weiters
ist bei Vorhofflimmern aufgrund einer behebbaren Ursache (etwa
Schilddrüsenüberfunktion) zur Rhythmusstrategie nach
Beseitigung der
Ursache geraten, ebenso ist bei Patienten mit hypertropher
Cardiomypathie wegen der schlechteren Toleranz gegenüber
Vorhofflimmern
eher eine Rhythmisierung anzuraten.
Neuer
Score um die mit einer Gerinnungstherapie verbundenen Blutungsgefahr zu
quantifizieren:
Der HAS-BLED - Score
folgende 9 klinische Befunde
finden mit jeweils 1
Punkt in die Berechnung Eingang:
- Hypertension
(Hochdruck über 160 syst.)
- Abnormale
Leberfunktion (Cirrhose oder Bilirubin mehr als doppelt oder
Transaminasen mehr als dreimal die Normwerte
- Abnormale
Nierenfunktion (Dialyse, Nierentransplantation, Serumkreatinin
über 2,2)
- Stroke (Schlaganfall)
- Bleeding
(Blutungsneigung oder Hinweise darauf, auch Anämie)
- Labile INRs (wenn
der INR stark schwankt oder weniger als 60% der Werte im
therapeutischen Bereich liegen)
- Elderly
(älter als 65 Jahre)
- Drugs (gleichzeitige
Einnahme von Medikamenten die die Blutungsneigung erhöhen,
etwa Aspirin, Rheumamittel)
- Alkohol
Ein HAS-BLED-Score von 3 oder
darüber (Maximalwert wäre 9) bedeutet "hohes Risiko"
für Blutungen; diese Patienten brauchen "some
caution" (eine gewisse Vorsicht) und regelmäßige
Neubewertung der Situation.
Neubewertung
der zur Dauer-Rhythmustherapie verwendeten Medikamente:
Es wird nun postuliert,
dass weniger
gefährlichen Medikamenten Vorrang
eingeräumt wird, auch wenn sie weniger wirksam sind. Somit
rückt das wirksamste, aber auch nebenswirkungsreichere Amiodarone an die
letzte Stelle der Entscheidungsbäume.
Weiters
wird davor gewarnt, potentiell proarrhythmische (selbst fallweise
Rhythmusstörungen auslösende) Medikamente bei
Patienten mit
struktureller Herzerkrankung (geschädigtem Herzmuskel) oder
Ischämie
(verengten Herzkranzgefäßen und
Sauerstoffmangel) zu geben, also
können Flecainid
und Propafenon
nur Patienten mit bis auf das Vorhofflimmern gesunden Herzen
gegeben werden; Sotalol
zusätzlich auch bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung.
Somit
bleibt für die Gruppe der Patienten mit struktureller
Herzerkrankung,
insbesonder bei Linksventrikelhypertrophie, die nicht schlechter als NYHA II* sind (und auch im letzten Monat in
keiner schlechteren Gruppe waren), nur Dronedarone
als erster Schritt; weiters kann Dronedarone auch bei den Patienten mit
KHK und natürlich bei den herzgesunden Patienten gegeben
werden. Bei KHK wird nun allerdings Sotalol vor Dronedarone gereiht.
Allerdings weist das Update 2012 darauf hin, dass Dronedarone wegen der
schlechten Studiendaten von "Pallas" nicht bei Patienten mit derzeit
bestehendem VH-Flimmern gegeben werden soll.
Lediglich die Gruppe NYHA III und IV und die
"unstabilen" NYHA II - Patienten erhalten schon als erstes
Antiarrhythmikum Amiodarone;
die anderen sollen zuerst die oben genannten Medikamente je nach
Vorhandensein einer Grunderkrankung erhalten, und in Fällen wo
mehrere
Substanzen "erlaubt" sind wird empfohlen, zuerst diese sequentiell zu
versuchen, bevor auf Amiodarone zurückgegriffen
wird. Dieser
Entscheidungsbaum ist freilich im Widerspruch zur Regelung im
österreichischen Kodex der Sozialversicherungsträger,
der Amiodarone
vor Dronedarone reiht; dieser Kodex wurde allerdings vor den neuen
ESC-Richtlinien erstellt und könnte daher noch
geändert werden, sonst
sind Diskussionen zwischen den Chefärzten und jenen
Internisten, die
nach den neuen Leitlinien vorgehen wollen, vorprogrammiert.
Stellung der Ablation
(elektrische Therapie mittels Herzkatheter, durch die mehrere Stellen
im linken Vorhof durch Energieabgabe irreversibel von der elektrischen
Leitung ausgeschlossen werden, wodurch das Vorhofflimmern in 60% bis
80% geheilt werden kann, allerdings mit dem wenn auch kleinen
Risiko
von Komplikationen wie bei jeder "Operation") im Behandlungskonzept:
Die Ablation wird im
Regelfall jenen Patienten vorbehalten, die trotz Behandlung mit mindestens
einem Antiarrhythmikum
(muss nicht unbedingt Amiodarone sein, außer in NYHA III oder
IV, wo es
ja das einzig mögliche Antiarrhythmikum ist ) weiterhin sehr störende Symptome
aufweisen. Eine Ausnahmestellen
sonst herzgesunde Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern
dar, die diese Behandlung einer medikamentösen Therapie
vorziehen, und Patienten mit Herzinsuffizienz wegen des VH-Flimmerns,
wenn sie es wünschen (vor oder nach Therapieversuch mit
Amiodarone). Bei
jeder Entscheidung zur Ablation muss die lokale Verfügbarkeit
eines
erfahrenen Teams und die anatomische Grundlage (etwa
Größe des Vorhofs,
Dauer des Vorhofflimmerns etc.) welche ja die Wahrscheinlichkeit des
Therapieerfolges bestimmen, mitbedacht werden.
Eine andere Anwendung
der Ablation stellt die palliative
Zerstörung des AV-Knotens mit Implantation eines Schrittmachers
dar; diese Therapie wird gewählt wenn medikamentöse
oder andere
Therapien zur Frequenz- oder Rhythmuskontrolle keine Besserung der
Symptomatik gebracht haben, insbesondere bei herzinsuffizienten
Patienten denen dabei ein biventrikuläres Schrittmachersystem
implantiert wird, um die Herzkraft zu stärken.
Verschluss des Vorhofohrs: ist
im Update 2012 neu hinzugekommen; da allerdings große Studien
fehlen ist der Einsatz beschränkt auf Ausnahmefälle
(Kontraindikation gegen AK, oder wenn aus anderen Gründen ohnehin
eine Herzoperation durchgeführt wird). In Bezug auf die neuen
perkutanen Devices zum Verschluss des Herzohres wird auf die relativ
hohe Komplikationsrate und die postoperative Notwendigkeit lebenslanger
Aspirintherapie (mit der damit verbundenen Blutungsgefahr) hingewiesen.
Vernakalant: wird
im Update 2012 bei herzgesunden Patienten mit VH-Flimmern von weniger
als 7 Tagen gleichwertig mit Flecainide, Propafenon und Ibutilide
genannt, sowie bei ausgewählten (nicht hypotonen, keine
Aortenstenose, kein ACS im letzten Monat) Patienten mit NYHA I bis II.
Antikoagulation nach
erfolgreicher Therapie:
Weder
nach erfolgreicher medikamentöser noch nach erfolgreicher
Ablationstherapie darf die Antikoagulation beendet werden, wenn der
Patient aufgrund seines Risikoprofils (CHA2DS2-VASc) als
antikoagulationsbedürftig eingestuft ist.
Zum Problem der gleichzeitigen
Gabe von oralen Antikoagulantien und Thrombozytenagregationshemmern:
Nach
Stentimplantationen und/oder akutem Koronarsyndrom ist
vorübergehend
auch eine Tripeltherapie erforderlich, deren Dauer richtet sich unter
anderem nach dem verwendeten Stent, entsprechende Tabellen sind in den
Guidelines nachzulesen. Es wird aber betont, dass nach Ablauf eines Jahres keine
Kombination von oralen Antikoagulantien und Aspirin erforderlich
ist, weil weder das Schlaganfall- noch das Infarktrisiko dadurch im
Vergleich zur alleinigen Therapie mit OAK reduziert wird, das
Blutungsrisiko aber erhöht wird. Es soll daher nach Ablauf eines Jahres
der Thrombozytenagregationshemmer abgesetzt und nur mehr OAK gegeben
werden.
aktualisiert
am 26.August 2012
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* NYHA: Einteilung
der Herzschwäche aufgrund der Symptome des Patienten nach der New York Heart Association:
- NYHA I:
Herzerkrankung ohne körperliche Beschwerden
- NYHA II:
Herzerkrankung mit leichten Beschwerden (treten nur bei
stärkerer Belastung auf)
- NYHA III:
Herzerkrankung mit schwereren Beschwerden (treten schon bei leichter
Belastung auf)
- NYHA IV:
Herzerkrankung mit Beschwerden auch in Ruhe